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Erste Berichte Griechen & Römer

In der Antike waren die Kanaren »terra incognita«. Den Gefahren, am Weltenrand ins Nichts zu stürzen oder gegen gefährliche Ungeheuer bestehen zu müssen, setzten sich nur wenige abenteuerlustige Seefahrer aus.

Etwa vor 1.000 v. Chr. verließen phönizische Seefahrer, damals die Besten der Welt, den Mittelmeerraum vorbei an den Säulen des Herakles (Straße von Gibraltar). Vermutlich waren es ihre Berichte, die Homer im 8. Jahrhundert v. Chr. inspirierten eine paradiesische Insel der Seligen am Ende der Welt zu besingen.

Erst gut 1.000 Jahre später begannen griechische und römische Gelehrte die Mythen rund um diese sagenhaften Inseln auf ihren Realitätsgehalt abzuklopfen. Im 1. Jahrhundert n. Chr. beschrieb Plinius der Ältere eine Inselgruppe mit seltsamen Pflanzen und Bäumen, viel Regen und riesigen Eidechsen. Damit könnte durchaus auch El Hierro gemeint gewesen sein. Der damals üppige Baumbestand »melkte« die Wolken und heutige Knochenfunde lassen auf eine frühere Population mit rund 100 bis 120 Zentimeter langen Rieseneidechsen schließen. 

Plinius bezog sich dabei auf einen Bericht des mauretanischen Königs Juba II, der um die Zeitenwende eine Expedition in die Gebiete jenseits der Säulen des Herakles, heute bekannt als Straße von Gibraltar, unternommen hatte. Dabei stieß Juba auf eine Inselgruppe rund 750 römische Meilen (etwa 1.100 Kilometer) südwestlich von Cadíz.

Der alexandrinische Gelehrte Claudius Ptolemäus besaß offensichtlich gesicherte Erkenntnisse zur Lage der Kanaren und im speziellen zu El Hierro. Um etwa 150 n. Chr. entwarf er ein kartografisches System der damaligen Welt, in dem er Positionen anhand von Langen- und Breitengraden beschrieb. Als Referenzpunkte legte er zur Bestimmung der geografischen Breite den Äquator fest. Als Nullmeridian zur Längenbestimmung setzte er den westlichsten Zipfel El Hierros.

Die ersten Siedler

Über die Geschichte des Kanarischen Archipels vor der spanischen Eroberung ist relativ wenig bekannt. Die Anfänge der Besiedlung liegen noch im Unklaren und sind Gegenstand verschiedener Theorien.

So fantastisch wie heute erwiesenermaßen falsch ist die Vorstellung, die Kanaren seien die Überreste des versunkenen Inselkontinents Atlantis und die Urbevölkerung die Nachfahren der Atlantiden. Doch auch die ernst zu nehmenden Ansätze sind das Ergebnis von Rückschlüssen aus mühsamer archäologischer Puzzle-Arbeit. Skelettfunden zufolge wurden einzelne Inseln, z.B. Teneriffa, frühestens im 8. Jahrhundert v. Chr. bewohnt. Einige möglicherweise ältere Funde auf Lanzarote konnten noch nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Die Besiedlung auf El Hierro dürfte sogar erst nach dem 5. Jahrhundert stattgefunden haben.

Relikte der Guanchen, wie die kanarische Urbevölkerung in einem Sammelbegriff bezeichnet wird, finden sich in den wenigen überlieferten Worten ihrer Sprache und im genetischen Material. Mittels moderner Gentechnik wurde festgestellt, dass etwa 40 Prozent der heutigen Bewohner der Inseln mit der Urbevölkerung verwandt sind. Als belastbar erscheinen also die Ergebnisse von Sprachforschern und Genetikern, die eine Verwandtschaft mit dem Berberischen festgestellt haben. Darüber aber, warum die Siedler ihren alten Lebensraum von der Westsahara bis Libyen verließen, kann nur spekuliert werden.

Auch eine Besiedlung mit dem Ausgangspunkt Europa ist nicht ganz auszuschließen. Archäologische Forschungen zeigen, dass die Inselgruppe offenbar nicht nur in mehreren Schüben, sondern auch mindestens von zwei verschiedenen Völkern besiedelt wurde. So könnten leidlich seetüchtige Wasserfahrzeuge auch von der Iberischen Halbinsel durch die Meeresströmungen auf die Kanaren getrieben worden sein. Die spanischen Eroberer berichteten zumindest von blonden, europäisch anmutenden und hochgewachsenen Menschen, auf die sie getroffen seien.

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Unterwerfung durch die Europäer

Erst im 13. Jahrhundert wurden die Inseln von verschiedenen Seefahrern aus europäischen Ländern wiederentdeckt. Als 1312 der Genueser Lancelotte Molocello auf Lanzarote landete und dort einige Jahre blieb, war dies nicht ohne Folgen für den Archipel. Einige Jahre später, 1341, betraten schließlich die ersten Seeleute El Hierro. Der Lissabonner Kapitän Rodríguez Martín war begeistert von der Insel und das Interesse der europäischen Herrscherhäuser erwachte mehr und mehr.

Mit konkreten Eroberungsabsichten stach der normannische Adlige Jean de Béthencourt mit Richtung Kanaren in See. Er handelte im Auftrag Heinrich III, des kastilischen Königs. Nachdem zunächst Lanzarote im Jahre 1402 eingenommen wurde, war 1405 Fuerteventura an der Reihe. Die Eroberung El Hierros gelang noch im selben Jahr durch eine List.

Bei vorangegangenen Überfällen gelang es den Söldner um Bethencourt, den Bimbache Augerón, einen nahen Verwandten des Bimbaches-Königs Armiche, gefangen zu nehmen. Dieser sollte den König mit der Aussicht auf einen Pakt für ein Treffen in der Bucht Bahía de Naos ködern. Trotz anfänglicher Zweifel lies sich Armiche überreden. Dieses Vertrauen mussten er und sein Volk dann teuer bezahlen.

Das Ende der Bimbaches war besiegelt. Wer sich nicht ergab, starb und der Rest wanderte in Gefangenschaft und Sklaverei. Die Bimbaches wurden schnell assimiliert. In nur wenigen Jahrzehnten vermischten sie sich mit mehr oder weniger freiwillig mit den Kolonisatoren. An den Versuchen, die restlichen Inseln zu erobern, scheiterte Béthencourt anschließend.

Ab dem Jahre 1418 wurden die Kanarischen Inseln, und damit auch El Hierro, mehrfach verkauft und getauscht bis schließlich der Papst 1479 als internationale Rechtsinstanz den Atlantik zwischen den Kolonialmächten Spanien und Portugal aufteilte. Im Vertrag von Alcâcovas wurden die Kanaren endgültig Spanien zugesprochen. Erst danach wurden Gran Canaria, La Palma und Teneriffa auch tatsächlich durch die Spanier von den Einheimischen erobert.

El Hierro unter Feudalherrschaft

Nach der Rückkehr Jean de Béthencourts nach Europa vertrat ihn sein Neffe Maciot bei der Ausübung der Herrschaft. Tyrannei und Gewalt bestimmen diese Zeit, die Zustände sind so schlimm, dass das kastilische Herrscherhaus eine Flotte aussendet, mit dem Ziel ihn unter Kontrolle zu bringen. Im Verlauf werden El Hierro und die anderen Kanarischen Inseln mehrfach verkauft und überlassen. Zahlreiche Adlige erheben Anspruch auf die Inseln. Schließlich gelangt El Hierro als Lehen in den Besitz der Grafen von Gomera.

Das Feudalsystem teilt die Bevölkerung El Hierros in drei Klassen. An der Spitze stehen Adel und Klerus, Großgrundbesitzer und reiche Kaufleute. Von ihnen abhängig sind die kleinen Bauern, Handwerker, Tagelöhner und einfache Landarbeiter. Völlig rechtlos waren die Sklaven, aus den Reihen der Guanchen oder in Raubzügen nach Afrika gefangene Mauren und Schwarze.

Als wichtiger Punkt im Seehandel zwischen den Kolonien Spaniens in Amerika und dem Mutterland und dank der intensiven Landwirtschaft gelangten zumindest die größeren Inseln zu Wohlstand und Bedeutung. Dies machte sie für Piraten- und Freibeuterüberfälle attraktiv. Dieses Rauben und Brandschatzen hielt bis ins 19. Jahrhundert an. Und selbst das vergleichsweise arme El Hierro musste lange unter den Raubzügen arabischer Piraten leiden, die sich auf Viehdiebstahl und Sklavenjagd spezialisiert hatten.

Für die einfachen Menschen war die Feudalzeit auf El Hierro weitgehend von Entbehrungen geprägt. Abgesehen von den Überfällen verloren die Bauern regelmäßig ihre Ernten durch Naturkatastrophen wie Dürren oder Waldbrände. Ihre ständig steigenden Abgaben an ihre Lehnsherren mussten sie dennoch leisten, was zu viel Verbitterung und Auswanderungsgedanken in die neuen Kolonien, z.B. nach Kuba, führte.

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Die vergessene Insel

Seit der Eroberung durch die Spanier bis ins fast zum Ende der Franco-Diktatur ist die Zeit scheinbar spurlos an El Hierro vorbei gegangen. Nur wenige der Errungenschaften aus diesen rund 500 Jahren sind beim Großteil der herrenischen Bevölkerung angekommen. Fernab vom Weltgeschehen bestimmen weitgehend immer die gleichen Faktoren das Leben der Herreños.

Gute wie schlechte Zeiten im Überlebenskampf, in erster Linie in Ernten gemessen, wechseln sich ab. Es gibt lange Zeit keine medizinische Versorgung und kaum Bildung für die einfachen Leute. Kontakt zu den besser situierten Nachbarinseln pflegen nur die besseren Stände, wenige Adels- und Patrizierfamilien und der Klerus.

Auch mit dem Ende der Feudalherrschaft ändert sich wenig. Noch immer steht für die Herreños die Mühsal, alle hungrigen Mäuler zu stopfen, im Vordergrund. Die prekäre Versorgungslage führt zur Emigration zahlreicher Inselbewohner. Kleine Schritte nach vorn bringt El Hierro der Status als Verbannungsinsel für Oppositionelle. So rekrutiert sich der erste Arzt der Insel aus diesem Kreis. Zum Übergang ins 20. Jahrhundert erhält der damals größte Ort Valverde eine Straßenbeleuchtung mit Gas. Das Städtchen wird ab 1912 Hauptstadt mit Sitz des Inselrates. In dieser Zeit bis zum Putsch der Falangisten 1936 kommt es zu einem minimalen Modernisierungsschub, der El Hierro einen kleinen Ausbau des Hafens La Estaca, einige neue Straßen und Investitionen in die Schulbildung bringt. Mit dem Übergang in die Franco-Diktatur versinkt El Hierro wieder in einen Dornröschenschlaf.

Auf dem Weg in die Moderne

Der Weg in die Moderne beginnt auf El Hierro etwas später als für die anderen Kanarischen Inseln. Nach einer bitteren Dürreperiode ab 1948 suchten viele Herreños ihr Heil in der Emigration und die Einwohnerzahl sank bis Anfang der 1970er Jahre von etwa 9.000 auf 5.800 Menschen. In den frühen 70ern setzte die Modernisierung der Insel ein und erhielt mit dem Einsetzen der Demokratisierung nach dem Tod des spanischen Diktators Franco 1975 einen zusätzlichen Schub.

Neben der Verbesserung des Bildungswesens, dem Ausbau der Wasserversorgung und Straßen sowie dem Bau eines Flughafens und eines Krankenhauses bekommt El Hierro auch eine fast vollflächige Elektrifizierung. Als Spanien Mitglied der NATO (1982) und EG (1986) wird, bescheren ausländische Investitionen und EU-Subventionen einen ungeahnten Wohlstandsschub auch auf El Hierro.

Im Jahre 2000 wird El Hierro von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt und kann sich 2008 sogar mit dem Titel der »saubersten Insel Europas« schmücken.

Die Herreños zeigen Eigensinn und treten für ihre Belange ein. Im Jahr 2002 konnte beinahe die gesamte Bevölkerung gegen eine geplante Nato-Militärstation auf dem Malpaso mobilisiert werden. Die Pläne wurden schließlich fallen gelassen. Mit der Verwaltungsreform von 2007 kam ergänzte eine dritte Gemeinde, El Pinar, die bestehenden beiden, Valverde und La Frontera. Im gleichen Jahre wählten die tendenziell linksgerichteten Bewohner zum dritten Mal Tomás Padrón Hernández zum Inselpräsidenten, der im Parlament einer eher konservativen Regionalpartei angehört, seines Einsatzes für die Insel und ihre Bewohner wegen aber eine große Popularität genießt.